Studium und Multimedia
Dateiformate im Test auf "Barrierefreiheit"
Folgende
Dateiformate
wurden getestet:
1. Textbasierte Dateiformate
- ASCII (.txt)
- HTML (.html)
- RichText (.rtf)
- LaTex (.tex)
- Microsoft Word (.doc)
- Excel (.xls)
- XML (.xml), Untersprache .mathml
2. Grafikbasierte Dateiformate
- Corel Draw (.cdr)
- Eingescannte und als Grafik abgelegte Formate (.jpg, .gif, .bmp, .tif)
3. Halbgrafische Dateiformate
- Adobe Acrobat (.pdf)
- Postscript (.ps)
- PowerPoint (.ppt)
- Flash (.fla)
Vorgehensweise bei den Dateiformate-Tests (Methodik)
Auswahl der Dateiformate:
Die Auswahl der zu testenden Dateiformate orientierte sich am Einsatz der Formate in der Lehre der Universität Karlsruhe (TH). Außerdem wurden Formate ausgewählt, die von der Gruppe unserer sehgeschädigten Studierenden augenblicklich verwendet werden. Zur besseren Übersichtlichkeit haben wir die Dateiformate in die drei Gruppen textbasierte, grafikbasierte und halbgrafische Dateiformate eingeteilt.
Gestaltung des
Fragebogens
:
Ein Fragebogen gliederte sich in drei Blöcke. Der erste Block beinhaltete die technischen Voraussetzungen, die erforderlich sind, um das ausgewählte Format zu testen. Anzugeben waren verwendete Betriebssysteme, Programme und
Screenreader
. Neben der Angabe der Art der
Sehschädigung
erfolgte eine persönliche Einschätzung der eigenen Vorkenntnisse. Der zweite Block erfragte die Lesbarkeit von Texten, Tabellen, Grafiken,
Frames
, mathematischen Ausdrücken, Bildern, Hyperlinks,
Imagemaps
, Navigationshilfen etc.. Die Erstellung von Dateien und Texten wurde im dritten Block nachgefragt, in dem die verwendeten Werkzeuge und deren Zugänglichkeit Untersuchungsgegenstand waren.
Viel Raum blieb für die Beantwortung der offenen Fragen nach jeweiligen Besonderheiten, Problemen, persönlichen Erfahrungen und Empfehlungen.
Die Tests wurden im Oktober und November 2002 durchgeführt und anschließend in mehreren ausführlichen Gruppengesprächen erörtert und ausgewertet.
Ergebnis:
Es zeigte sich deutlich die unterschiedliche Verwendbarkeit der Dateiformate im Kontext zu Sehbehinderung bzw. Blindheit.
Bei den sehbehinderten Studierenden gab es nach Art und Ausprägung der Sehschädigung unterschiedliche Beurteilungen. Was für einen Studierenden ein unzugängliches Dateiformat darstellte, konnte von einem anderen verwendet werden. Es zeigte sich besonders bei der Sehbehinderung eine Korrelation zwischen dem Einsatz eines Dateiformates und Vorkenntnissen der Studierenden. Mit Kniffs und Tricks weiß manche/r Studierende/r auch schwer zugängliche Formate zu nutzen.
Fazits zum Test von Dateiformaten
In den Fazits sind in komprimierter Form Beurteilungen zu den von uns getesteten Dateiformaten zu finden. Es wird dargelegt, ob und wie Sehgeschädigte mit dem jeweiligen Format arbeiten können. Die Beurteilungen spiegeln die Erfahrungen der sehgeschädigten Studierenden wider und sollen als Empfehlungen zum Für und Wieder ihres Einsatzes im Hinblick auf die Barrierefreiheit in der Lehre dienen.
1. Textbasierte Dateiformate
-
ASCII (.txt):
ASCII ist eine reine Textdarstellung ohne weitere Objekte, z.B. Grafiken. Die Werkzeuge, mit denen das Format erstellt und gelesen werden kann, sind gut zugänglich.
Bei der Texterstellung sollte auf einen ständigen Zeilenumbruch geachtet werden. Wir empfehlen eine Zeilenlänge von maximal 80 Zeichen, da Brailledisplays entweder 20, 40 oder 80 Zeichen darstellen können. -
HTML (.html):
HTML-Seiten müssen entsprechend denW3C -Standards gestaltet sein. Bei Grafiken,
Imagemaps und
Frames ist auf eine entprechende Beschriftung zu achten. Die Layouterstellung und -erkennung erfordert Unterstützung von Seiten einer sehenden Person.
Unnötige Barrieren entstehen durch den zweckentfremdeten Einsatz von HTML-Elementen. Beispiel: Ein leerer, unsichtbarer Rahmen (Tabelle oder Grafik) wird als Abstandshalter eingesetzt. Der blinde Nutzer erhält einen falschen Eindruck vom Aufbau der Homepage. -
Rich-Text (.rtf):
Fließtext mit einfachen Formatierungen (Fettdruck, Kursiv) ist gut zu erstellen. Tabellen sind lesbar und können erstellt werden, wenn der Screenreader diese unterstützt. Mathematische Ausdrücke und Grafiken können von Blinden und den meisten Sehbehinderten nicht gelesen werden, somit ist wissenschaftliches Arbeiten im Bereich der Natur- und Ingenieurswissenschaften nicht möglich.
Das Erscheinungsbild eines Dokuments hängt sowohl von der Anwendung, mit der es erstellt wird, als auch von der Anwendung, mit der es gelesen wird ab. Dies hat zur Folge, dass es z.B. zu Verschiebungen von Text und anderen Elementen wie Grafiken kommen kann. Dadurch kann sich die Lesbarkeit von RTF- Dokumenten verschlechtern.
Beispiel: Der Abschnittswechsel wird in der englischen Sprache anders dargestellt als in der deutschen Sprache. -
LaTeX (.TeX):
LaTex ist das einzige Dateiformat, das durch die direkte Lesbarkeit derQuelldatei die Möglichkeit bietet, mathematische Ausdrücke zu lesen und zu schreiben. Im Quelltext steht die Textstruktur im Vordergrund, während das Layout des Dokuments durch den im Quelltext festgelegten Dokumententyp definiert wird. Diese Vorteile kommen für Sehbehinderte nicht zum Tragen, da sie LaTex wie ihre sehenden Kommilitonen in der grafischen Version einsetzen.
Der Umgang mit Tabellen und Diagrammen ist bedingt möglich.
Das Lesen wird durch zusätzliche Formatierbefehle (z.B. Fontwechsel, Zentrierung) erschwert. -
Microsoft Word (.doc):
Fließtext mit einfachen Formatierungen (Fettdruck, Kursiv) ist gut zu erstellen. Tabellen sind lesbar, wenn derScreenreader diese unterstützt. Zum Erstellen von Tabellen ist ein visuelles Feedback von Seiten einer sehenden Person notwendig. Außerdem setzt die Anwendung ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen voraus.
Mathematische Ausdrücke und Grafiken können von Blinden und den meisten Sehbehinderten nicht gelesen werden. Wissenschaftliches Arbeiten ist im Bereich der Natur- und Ingenieurswissenschaften somit nicht möglich. -
Excel (.xls):
Tabellen sind mitJaws gut lesbar und gut navigierbar. Sehr schwierig ist es, die mathematischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die dieses Format bietet. Dies erfordert sehr weitreichende Excel-Kenntnisse.
-
XML (.xml):
XML wurde für Sehgeschädigte noch nicht ausgiebig getestet. Ein entsprechendes Werkzeug ist bis jetzt noch nicht vorhanden. Dies liegt vor allem an den vielfältigen Möglichkeiten, die dieses Format eröffnen könnte. Die Zugänglichkeit kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, doch wird das Format bisher kaum für Textverarbeitungsprogramme eingesetzt. Dies wird sich in Zukunft ändern und damit eröffnen sich große Chancen im Hinblick auf die Barrierefreiheit von XML.
Als Ausgangsformat zur Konvertierung in blindenspezifische Beschreibungssprachen, beispielsweise Mathematikschriften ist es sehr viel versprechend.
2. Grafikbasierte Dateiformate
-
Corel Draw (.cdr):
Für Blinde ist das Format nicht lesbar. Die Möglichkeit zur freien Positionierung von Objekten erfordert für die Erschließung und Erstellung von Dokumenten ein visuelles Feedback, die Unterstützung von Seiten einer sehenden Person wird benötigt.
Sehbehinderten, die mit grafischen Elementen arbeiten können, ist das Format zugänglich, da nahezu alle Funktionen ohne Einsatz der Maus erreichbar sind. -
Eingescannte und als Grafik abgelegte Dokumente (jpg, gif, bmp, tif):
Diese Dateiformate sind als Textformate ungeeignet, da sie nur Bildinformationen enthalten. Eingesetzt werden diese Formate, um Bücher einzuscannen.
Blinde können den Text mit Hilfe einerOCR (Optical Caracter Recognition)-Software weiterverarbeiten und mit Einschränkungen erkennen. Zunächst ist darauf zu achten, dass der Text nach dem Scannen zur Weiterverarbeitung auch für nicht Sehbehinderte am Bildschirm lesbar ist. Beim Scannen sollte eine Auflösung von mindestens 300 dpi verwendet werden. Textinformation kann erschlossen werden. Handschriften und Grafikinformationen sind auch hier nicht zugänglich. Die besten Ergebnisse werden mit dem Format TIFF erzielt.
3. Halbgrafische Dateiformate
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Adobe Acrobat (.pdf):
PDF ist nur mit einem Screenreader lesbar, der die Funktionalität der MSAA (Microsoft Active Accessibility) nutzen kann. Verschlüsselte Dokumente sind nicht lesbar. Für Acrobat 4.5 existiert ein Zusatzprogramm, mittels welchem sich PDF-Dateien nach HTML exportieren lassen. Die Lesbarkeit ist auf Text und Hyperlinks beschränkt. Grafiken, Tabellen, Diagramme und weitere Objekte sind unzugänglich.
Manche Sehbehinderte können PDF-Dokumente lesen. Es sollten jedoch serifenlose Schriftarten, z.B. Arial verwendet werden. Auf Schriftgröße und Farbkontraste ist zu achten.
Neue Ergebnisse zum Thema Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten unter: http://www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/pdf/index.html -
Postscript (.ps):
Das Dateiformat ist nicht lesbar. Um es zugänglich zu machen, kann Fließtext extrahiert werden. Voraussetzung ist aber, dass zur TextdarstellungFonts verwendet wurden. Dabei gehen jedoch alle anderen Informationen (Tabellen, mathematische Ausdrücke, Grafiken etc.) verloren.
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Powerpoint (.ppt):
Powerpoint ist grundsätzlich lesbar. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Autor oder eine Autorin folgende Kriterien beachten:
Grafiken, Diagramme undImagemaps müssen mit einem Alternativtext belegt sein (z.B. durch die Notizenfunktion).
Der Aufbau einer Folie muss systematisch sein. So sollte innerhalb einer Folie nicht vom linken unteren Rand zum oberen rechten Rand gesprungen werden.
Pfeile und Animationen können nicht wahrgenommen werden. Hier sind alternative beschreibende Anmerkungen (z.B. im Notizteil) notwendig.
Für Sehbehinderte ist wichtig, dass Farbkontraste beachtet werden. Dunkle Schrift auf dunklem Hintergrund und helle Schrift auf hellem Hintergrund sind zu vermeiden.
Powerpoint-Folien müssen betroffenen Studierenden vor der Veranstaltung zu Vorbereitungszwecken zur Verfügung stehen. -
Flash (.fla):
Bei diesem Format muss zwischen statischen und dynamischen Elementen unterschieden werden. Statische Elemente wie Text und Navigationseinheiten sind mit speziellen Werkzeugen lesbar. Animationen können nicht erkannt werden. Der Ablauf von Animationen muss für Sehgeschädigte in Textform beschrieben werden.